DIE HIGHLIGHTS BEINHALTEN EMPFEHLUNGEN, NEUE FORSCHUNGSERGEBNISSE UND WISSENSCHAFTLICHE VERANSTALTUNGEN
Das Wichtigste in Kürze:
- Die 2023 veröffentlichten europäischen und amerikanischen Leitlinien für die klinische Praxis befürworten die Verwendung kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe anstelle von Zuckern, im Gegensatz zur bedingten Empfehlung, die von der WHO ausgesprochen wurde
- Neue, langfristige klinische Studien lassen Vorteile von kalorienarmen/-freien Süßstoffen für den Gewichtsverlust und den Gewichtserhalt erkennen
- Die Sicherheit von Aspartam wird ebenso wie die aller zugelassenen kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffe von Sicherheitsorganisationen weltweit bestätigt, darunter vom gemeinsamen Sachverständigenausschuss der WHO/FAO für Lebensmittelzusatzstoffe (JEFCA)
Die Schlagzeilen dieses Jahres haben im Zusammenhang mit der Rolle der kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffe reichlich Verwirrung gestiftet, insbesondere durch den Widerspruch zwischen den Richtlinien zur klinischen Praxis und den Ernährungsempfehlungen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die 2023 veröffentlichten Leitlinien und Berichte, eine Zusammenfassung der wesentlichen wissenschaftlichen Studien und die Nachrichten aus der Wissenschaft, aus den von der ISA unterstützten wissenschaftlichen Veranstaltungen.
KLINISCHE PRAXIS UND ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN IM WIDERSPRUCH
Eine neue, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai 2023 herausgegebene Leitlinie schlug vor, kalorienarme/kalorienfreie Süßstoffe nicht als Mittel für die Gewichtskontrolle zu verwenden (eine bedingte Empfehlung)1. Die amerikanischen und europäischen Empfehlungen für die diätetische Behandlung der Diabetes hingegen befürworten die Verwendung kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe anstelle von Zucker als eine Möglichkeit, die gesamte Kalorien- und Kohlehydrataufnahme zu senken und damit das Gewichtsmanagement und die Blutzuckerkontrolle zu unterstützen.2,3 Diese widersprüchlichen Empfehlungen führten zu Verwirrung bei der Bevölkerung, aber auch in den Gemeinschaften von Wissenschaftlern und medizinischen Fachkräften.
Die bedingte (oder schwache) Empfehlung der WHO beruht weitgehend auf Beobachtungsstudien, die von Natur aus durch umgekehrte Kausalität und residuale Störfaktoren eingeschränkt sind.4,5 Das größere Gewicht, das Beobachtungsstudien gegenüber randomisiert kontrollierten Studien (RCT) eingeräumt wurde, und die fehlende Berücksichtigung von Ergebnissen aus prospektiven Kohortenstudien, die Methoden zur Reduzierung der Verzerrung einsetzten, stieß in der wissenschaftlichen Literatur auf Kritik.4 Akademische Experten unterstreichen, dass diese Problematik den Wert der Leitlinie begrenzt und/oder fordern zusätzliche Forschungen, um diese in aussagekräftige Empfehlungen zur Verwendung von Süßstoffen einfließen zu lassen.4,5
EVIDENZBASIERTE EMPFEHLUNGEN FÜR DIE DIÄTETISCHE BEHANDLUNG DER DIABETES
Neue klinische Praxisleitlinien zum Ernährungsmanagement bei Diabetes wurden von der Studiengruppe für Diabetes und Ernährung (DNSG) der Europäischen Gesellschaft für Diabetesforschung (EASD) im April 20232 und von der Amerikanischen Diabetesgesellschaft im Januar 20233 herausgegeben. Beide Organisationen befürworten die Verwendung kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe anstelle von Zucker als Mittel zur Senkung der gesamten Kalorien- und Kohlenhydratzufuhr, sofern es nicht zu einer kompensatorischen Zunahme der Energiezufuhr aus anderen Quellen kommt.
EVIDENZ AUS NEU PUBLIZIERTEN SYSTEMATISCHEN ÜBERSICHTEN
Mehrere systematische Übersichten zu den Wirkungen kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe auf die Gesundheit wurden dieses Jahr publiziert. Die Ergebnisse einer Metaanalyse von RCT durch Tobiassen et al zeigte, dass das Ersetzen der üblicherweise verzehrten, mit Zucker gesüßten Getränke durch kalorienarm/kalorienfrei gesüßte Getränke oder Wasser eine kleine, aber signifikante langfristige Senkung des Body-Mass-Indexes (BMI) zur Folge hatte.7 Eine Tendenz zu einer größeren Senkung des BMI bei länger andauernden Interventionen (>12 Monate) wurde ebenfalls festgestellt. Vergleichbar dazu zeigte eine systematische Übersicht und Metaanalyse von RCT mit Kindern, dass der Verzehr kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe anstelle von Zucker zu einem geringeren Anstieg des BMI bei Heranwachsenden und bei Kindern/Heranwachsenden mit Adipositas führte.8 Im Allgemeinen berichteten Metaanalysen von RCT durchgehend von einer vorteilhaften Wirkung bei Verwendung kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe für die Gewichtskontrolle und die kardiometabolische Gesundheit, während Beobachtungsstudien einen positiven Zusammenhang mit einem höheren Risiko für Adipositas oder andere chronische kardiometabolische Krankheiten aufzeigten. Espinosa und Kollegen fordern mehr langfristige prospektive Analysen mit Änderungen bei wiederholten Messungen, um die Zusammenhänge bei Beobachtungsstudien besser erfassen zu können.8
Khan und Kollegen verglichen die Ergebnisse aus Metaanalysen prospektiver Kohortenstudien, die eine einzige Süßstoffexposition bei der Ausgangsbewertung betrachten, mit Ergebnissen aus prospektiven Kohorten mit wiederholten Messungen und der Möglichkeit, Änderungs- und Substitutionsanalysen durchzuführen.4 Sie stellten fest, dass die Änderungs- und Substitutionsanalyse einen neutralen oder sogar protektiven Zusammenhang zwischen kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffen und kardiometabolischen Krankheiten zeigte, im Gegensatz zum gesundheitsschädlichen Zusammenhang, den Studien mit Einzelanalysen zeigten. Die Autoren erinnerten daran, dass die bedingte Empfehlung der WHO-Leitlinie ausschließlich auf Evidenzen aus prospektiven Kohortenstudien mit einer einzigen Ausgangsbewertung von kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffen fußte, während Änderungs- und Substitutionsanalysen oder RCT-Daten, die beide eine nützliche Rolle der kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffe untermauern, nicht berücksichtigt wurden.4 Die Übereinstimmung zwischen Versuchsergebnissen und analytisch rigorosen prospektiven Kohortenstudien rechtfertigt eine erneute Prüfung der Evidenzbasis und der Empfehlung der WHO.
VORTEILE VON KALORIENARMEN/KALORIENFREIEN SÜSSSTOFFEN FÜR DIE LANGFRISTIGE GEWICHTSKONTROLLE DURCH NEUE, UMFANGREICHE KLINISCHE STUDIEN BESTÄTIGT
Erste Ergebnisse aus der langfristigen klinischen Studie des Projekts Horizon 2020 SWEET, das wir anlässlich der 14. Europäischen Ernährungskonferenz– FENS 2023 vorgestellt hatten, zeigt einen bescheidenen, aber signifikanten Vorteil bei der Verwendung kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe für die langfristige Gewichtskontrolle. In vergleichbarer Weise zeigten die Ergebnisse aus der kürzlich veröffentlichten SWITCH Studie, eine langfristige, randomisiert kontrollierte Studie mit 493 Erwachsenen mit Übergewicht oder Adipositas, einen bescheidenen, aber signifikant besseren Erhalt des Gewichtsverlusts mit kalorienarm/kalorienfreie gesüßten Getränken im Vergleich zu Wasser in der Follow-Up-Phase nach einem einjährigen Gewichtsverlust- und Gewichtserhaltungsprogramm.6
SICHERHEIT VON ASPARTAM DURCH WHO/FAO JECFA BESTÄTIGT
Am 14. Juli 2023 bestätigte der Gemeinsame Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erneut die Sicherheit von Aspartam und bekräftigte die zulässige Tagesdosis (ADI) von 40 mg/kg Körpergewicht.9
Nach Prüfung einer umfangreichen Evidenzbasis kam der JECFA zu dem Schluss, dass es keine überzeugenden Beweise aus Tierversuchen oder Humanstudien dafür gibt, dass Aspartam nach der Einnahme schädliche Auswirkungen hat.9 Der JECFA bewertete auch das krebserregende Potenzial, einschließlich der Ergebnisse einer Übersicht der Arbeitsgruppe der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), und kam zu dem Schluss, dass es „keine Bedenken hinsichtlich der Karzinogenität bei Tieren aufgrund der oralen Exposition gegenüber Aspartam“ gibt und dass die „Beweise für einen Zusammenhang zwischen Aspartamverzehr und Krebs beim Menschen nicht überzeugend sind“.10
Anfang des Jahres kam eine umfassende quantitative Übersicht der toxikologischen und epidemiologischen Daten zum Zusammenhang zwischen zugelassenen kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffen einschließlich Aspartam und Krebs zu dem Schluss, dass es keine Beweise für ein Krebsrisiko im Zusammenhang mit dem Verzehr kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe gibt.11
Wir hoffen, die Lektüre dieses Jahresrückblicks 2023 war für Sie angenehm und informativ. Es ist Aufgabe der ISA, medizinische Fachkräfte, Forscher, Aufsichtsbehörden, Politiker, Medien und Verbraucher mit wissenschaftlich fundierten Informationen zu versorgen, um das öffentliche Verständnis für die Sicherheit und die Vorteile von kalorienarmen/kalorienfreien Süßstoffen zu fördern, und das werden wir auch im kommenden Jahr wieder tun.
Wir wünschen Ihnen ein gutes Neues Jahr!