Wissenschaftliche Neuigkeiten über kalorienarme/-freie Süßstoffe: Jahresrückblick 2022

Highlights:

  • Die Vorteile von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln bei der Reduzierung der Zucker- und Kalorienzufuhr und bei der Unterstützung der Gewichtsabnahme wurden im Jahr 2022 in systematischen Übersichten und Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) bestätigt.
  • Kalorienarme/-freie gesüßte Getränke können mit kardiometabolischen Vorteilen verbunden sein, wenn sie anstelle von zuckergesüßten Getränken verwendet werden
  • Neue Studien bestätigen, dass der Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln sicher ist und deutlich unter der jeweiligen zulässigen Tagesdosis (ADI) liegt.

 

Aus wissenschaftlicher Sicht war das Jahr 2022 durch die Veröffentlichung wichtiger systematischer Überprüfungen der aktuellen Literatur zu Süßungsmitteln gekennzeichnet. Der vorliegende Jahresrückblick gibt einen Überblick über die wichtigsten Studien, die 2022 veröffentlicht wurden, sowie über wissenschaftliche Neuigkeiten aus von der ISA unterstützten Veranstaltungen.

 

Von der WHO unterstützte Überprüfung der gesundheitlichen Auswirkungen von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln: RCTs bestätigen den Nutzen trotz Beobachtungsstudien, die auf mögliche negative Zusammenhänge hinweisen

Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse von RCTs und Beobachtungsstudien wurde im April 2022 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht.1 Mit geringer bis mittlerer Sicherheit erbrachte Nachweise aus RCTs bestätigten, dass kalorienarme/-freie Süßstoffe durch die Verringerung der Energie- (Kalorien) und Zuckerzufuhr zu einer bescheidenen Gewichtsabnahme beitragen können, ohne sich negativ auf die kardiometabolische Gesundheit auszuwirken. Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen berichteten Metaanalysen von Beobachtungsstudien mit sehr geringer bis geringer Sicherheit über positive Zusammenhänge zwischen kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln und einem erhöhten Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings können Beobachtungsstudien naturgemäß keinen kausalen Zusammenhang nachweisen und sind von geringerer Qualität. Ungenauigkeiten, die sich aus den Methoden zur Bewertung des selbstberichteten Verzehr ergeben, sowie Probleme mit Restverfälschungen und vor allem mit der umgekehrten Kausalität geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich Zuverlässigkeit und Interpretation von Zusammenhängen aus Beobachtungsstudien, insbesondere dann, wenn klinische kontrollierte Studien von höherer Qualität gegenteilige Ergebnisse liefern.

Abschwächung des Einflusses der umgekehrten Kausalität in der Beobachtungsforschung, um verlässliche Zusammenhänge zwischen kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln und kardiometabolischem Risiko herzustellen

Im Jahr 2022 veröffentlichte die Studiengruppe Diabetes und Ernährung (Diabetes and Nutrition Study Group, DNSG) der Europäischen Gesellschaft zur Erforschung des Diabetes (European Association for the Study of Diabetes, EASD) zwei systematische Übersichten und Metaanalysen von RCTs2 bzw. prospektiven Kohortenstudien3. Diese Ausarbeitung soll in die klinischen Praxisrichtlinien der EASD für die Ernährungstherapie bei Diabetes einfließen, die derzeit überarbeitet werden.

Mit dem Ziel, den Einfluss der umgekehrten Kausalität abzuschwächen und robustere Zusammenhänge zu liefern, beschränkte die DNSG in ihrer systematischen Überprüfung und Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien die Analysen auf Kohortenvergleiche, die den Süßstoffverzehr als Veränderung über die Zeit oder als Ersatz von zuckergesüßten Getränken (SSB) durch kalorienarme/-freie gesüßte Getränke modellieren.3 Im Vergleich zum WHO-Bericht1, der die Frage der umgekehrten Kausalität in Beobachtungsstudien nicht angemessen behandelte, berichtete der aktuelle Bericht über andere Ergebnisse: der beabsichtigte Ersatz von SSB durch kalorienarme/-freie gesüßte Getränke wurde mit einem niedrigeren Gewicht und einem verringerten Risiko für Fettleibigkeit, koronare Herzkrankheiten, die Gesamtsterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Gesamtsterblichkeit verbunden, ohne dass ein negativer Zusammenhang mit anderen kardiometabolischen Ergebnissen bestand.3

Die Ergebnisse der systematischen Überprüfung von prospektiven Kohortenbeobachtungsstudien mit Veränderungs- und Substitutionsanalysen durch die DNSG stimmen mit den Erkenntnissen aus RCTs überein, einschließlich einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse von RCTs, die Anfang des Jahres von den DNSG-Experten veröffentlicht wurde.2 Kalorienarme/-freie gesüßte Getränke wurden mit einer Verringerung des Körpergewichts, des Body-Mass-Index, des prozentualen Körperfettanteils und der intrahepatozellulären Lipide bei Erwachsenen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit, die ein Diabetes-Risiko haben oder an Diabetes erkrankt sind, in Verbindung gebracht, wenn sie mit zuckergesüßten Getränken verglichen wurden. Ihre Vorteile waren ähnlich wie die von Wasser, dem Standard-Ersatzmittel, was kalorienarme/-freie gesüßte Getränke zu einer hilfreichen alternativen Ersatzstrategie für zuckerhaltige Getränke macht.2

Neue repräsentative landesweite US-Studie findet keinen Zusammenhang zwischen kalorienarmen/-freien Süßstoffen und Krebsrisiko

Eine neue Studie, die Daten der repräsentativen landesweiten US-amerikanischen Gesundheits- und Ernährungserhebung (NHANES) für die Jahre 1988-2018 analysierte, fand keinen Zusammenhang zwischen einem höheren Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln und dem Gesamtkrebsrisiko.4 Darüber hinaus hatten die Verbraucher von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln eine hochwertigere Ernährung mit einer geringeren Aufnahme von Zucker und Kalorien und rauchten seltener, was auf eine insgesamt gesündere Lebensweise im Vergleich zu den Nicht-Verbrauchern hindeutet. Die Forscher betonen, dass die vorliegenden Ergebnisse im Widerspruch zu einem kürzlich erschienenen Bericht von Debras et al.5 stehen, der sich auf die französische Freiwilligenkohorte Nutrinet Santé stützt, eine große, allerdings nicht repräsentative und überwiegend weibliche Stichprobe.

Vom INAN veranstaltetes Webinar der ISA: Der Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln liegt deutlich unter der zulässigen Tagesdosis

Bei einem Webinar zum Thema „Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen und ihre Rolle bei der Gewichtskontrolle und bei Diabetes“, das von der ISA organisiert und vom Nationalen Lebensmittel- und Ernährungsinstitut (INAN) von Paraguay veranstaltet wurde, sprachen eingeladene Experten über die Sicherheit und die Verzehrmengen von kalorienarmen/-freien Süßstoffen.

Unabhängige Lebensmittelsicherheitsbehörden weltweit prüfen und bewerten die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und bestätigen auf dieser Grundlage die Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen. Bei der Sicherheitsbewertung und dem Zulassungsverfahren durch die Lebensmittelsicherheitsagenturen und Regulierungsbehörden wird für jeden einzelnen Süßstoff eine zulässige Tagesdosis (ADI) festgelegt. Der ADI-Wert ist die Menge eines Lebensmittelzusatzstoffs (z. B. eines Süßstoffs), die ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko täglich über das gesamte Leben eines Menschen verzehrt werden kann, und berücksichtigt alle Bevölkerungsgruppen, einschließlich besonders gefährdeter Gruppen wie Kinder und schwangere Frauen. Mehrere neuere Studien in Lateinamerika haben bestätigt, dass der Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln deutlich unter den jeweiligen ADI-Werten liegt. Auf dem diesjährigen Webinar wurden die Ergebnisse einer kürzlich von der chilenischen Agentur für Lebensmittelsicherheit und -qualität (ACHIPIA) durchgeführten Studie vorgestellt, die bestätigte, dass keiner der kalorienarmen/-freien Süßstoffe seinen jeweiligen ADI-Wert in irgendeiner der Altersgruppen (einschließlich Kinder) überschritten hat.6

Sie können das ISA-Webinar zum Thema „Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln und ihre Rolle bei der Gewichtskontrolle und bei Diabetes“, indem Sie hier klicken.

Von der ISA unterstützte Webinare im Rahmen des Weltdiabetestages: Kalorienarme/-freie Süßstoffe in der Diabetesbehandlung

Im November unterstützte die International Sweeteners Association (ISA) im Rahmen des Weltdiabetestages 2022 unter dem Motto „Aufklärung für eine gesündere Zukunft“ zwei Online-Veranstaltungen für Fachkräfte im Gesundheitswesen in Europa und Lateinamerika.

Ein vom mexikanischen Diabetesverband (Federación Mexicana de Diabetes – FMD) organisierter Workshop und ein von der European Federation of Associations of Dietitians (EFAD) und seines Europäischen Netzwerks von Diätassistenten (ESDN) organisiertes Webinar zum Thema Fettleibigkeit befassten sich mit den neuesten Erkenntnissen über kalorienarme/-freie Süßstoffe sowie mit Ernährungsrichtlinien zur Behandlung von Fettleibigkeit und Diabetes.

Die Referenten des Workshops des Mexikanischen Diabetesverbandes FMD, Dr. Rebeca López-García, beratende Toxikologin, und Dr. Hugo Laviada-Molina, MD, Universidad Marista de Mérida, Mexiko, kamen zu dem Schluss, dass der strenge Sicherheitsbewertungsprozess unabhängiger internationaler Lebensmittelsicherheitsbehörden gewährleistet, dass alle zugelassenen kalorienarmen/-freien Süßstoffe sicher sind, und wiesen außerdem auf qualitativ hochwertigere Erkenntnisse aus klinischen Studien am Menschen hin, die darauf hindeuten, dass sie ein hilfreiches Mittel zur Reduzierung des Zuckerverzehrs für Menschen mit Fettleibigkeit und/oder Diabetes sein können.

Im Hinblick auf die klinischen Praxisrichtlinien für das Ernährungsmanagement bei Diabetes unterstützen diese im Allgemeinen die Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln als Möglichkeit, den Zuckerverzehr zu reduzieren, wie auch auf dem EFAD-Webinar vorgestellt wurde. So erkennen beispielsweise die Amerikanische Diabetesvereinigung (ADA)7, Diabetes Canada8, Diabetes UK9 und die Lateinamerikanische Diabetesvereinigung (Asociación Latinoamericana de Diabetes – ALAD)10 an, dass der Ersatz von zugesetztem Zucker durch kalorienarme/-freie Süßstoffe den täglichen Verzehr von Kohlenhydraten und Kalorien verringern könnte, was sich wiederum positiv auf die Kontrolle des Blutzuckerspiegels, des Gewichts und des Herz-Kreislauf-Systems auswirken könnte.

Sie können das EFAD-Webinar zum Thema „Neueste Ernährungsrichtlinien zur Behandlung von Fettleibigkeit und Diabetes“ ansehen, indem Sie hier klicken.

 

Wir hoffen, dass Sie den Artikel zum Jahresrückblick 2022 mit Interesse gelesen haben. Die International Sweeteners Association (ISA) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ihnen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über kalorienarme/-freie Süßstoffe näher zu bringen und wird dies auch im Jahr 2023 tun.

Wir wünschen Ihnen ein glückliches und gesundes neues Jahr!

  1. World Health Organization, Rios-Leyvraz Magali & Montez Jason‎. Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis. World Health Organization 2022. https://apps.who.int/iris/handle/10665/353064. License: CC BY-NC-SA 3.0 IGO
  2. McGlynn ND, Khan TA, Wang L, …, Sievenpiper JL. Association of Low- and No-Calorie Sweetened Beverages as a Replacement for Sugar-Sweetened Beverages With Body Weight and Cardiometabolic Risk: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open. 2022 Mar 1;5(3):e222092.
  3. Lee JJ, Khan TA, McGlynn N, …, Sievenpiper JL. Relation of Change or Substitution of Low- and No-Calorie Sweetened Beverages With Cardiometabolic Outcomes: A Systematic Review and Meta-analysis of Prospective Cohort Studies. Diabetes Care. 2022 Aug 1;45(8):1917-1930.
  4. Fulgoni VL, Drewnowski No Association between Low-Calorie Sweetener (LCS) Use and Overall Cancer Risk in the Nationally Representative Database in the US: Analyses of NHANES 1988–2018 Data and 2019 Public-Use Linked Mortality Files. Nutrients 2022;14(23):4957
  5. Debras C, Chazelas E, Srour B, …, Touvier M. Artificial sweeteners and cancer risk: Results from the NutriNet-Santé population-based cohort study. PLoS Med. 2022 Mar 24;19(3):e1003950
  6. Agencia Chilena para la Inocuidad y Calidad Alimantaria – ACHIPIA (Chilean Food Safety and Quality Agency). Chronic dietary exposure assessment on sweeteners in food consumed by the Chilean population. ACHIPIA 2021. Available at: https://www.achipia.gob.cl/wp-content/uploads/2021/06/2021_ACHIPIA_Informe-EED-Cronica-Edulcorantes-MINSAL-ACHIPIA_Nueva-Version_final-con-abstract-English.pdf
  7. Evert AB, Dennison M, Gardner CD, Garvey WT, Lau KHK, MacLeod J, Mitri J, Pereira RF, Rawlings K, Robinson S, Saslow L, Uelmen A, Urbanski PB, Yancy Jr. WS. Nutrition Therapy for Adults with Diabetes or Prediabetes: A Consensus Report. Diabetes Care. 2019 May;42(5):731-754
  8. Sievenpiper JL, Chan C, Dworatzek PD, et al. Diabetes Canada 2018 Clinical Practice Guidelines for the Prevention and Management of Diabetes in Canada: Nutrition Therapy. Can J Diabetes. 2018;42(Suppl 1):S1-S325.
  9. Diabetes UK. The use of low or no calorie sweeteners. Position Statement (Updated December 2018). Available at: https://www.diabetes.org.uk/professionals/position-statements-reports/food-nutrition-lifestyle/use-of-low-or-no-calorie-sweetners
  10. Laviada-Molina H, Escobar-Duque ID, Pereyra E, Romo-Romo A, Brito-Córdova G, Carrasco-Piña E, González-Suárez R, López-García R, Molina-Seguí F, Mesa-Pérez JA. Consenso de la Asociación Latinoamericana de Diabetes sobre uso de edulcorantes no calóricos en personas con diabetes [Consensus of the Latin-American Association of Diabetes on low calorie sweeteners in persons with diabetes]. Rev ALAD. 2018;8:152-74