Neue Erkenntnisse sprechen für die vorteilhafte Rolle von kalorienarmen/-freien Süßstoffen zur Gewichtskontrolle

Wissenschaftliche Nachrichten von der 14. Europäischen Konferenz – FENS 2023

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zwei umfangreiche, einjährige klinische Versuche, die auf der FENS 2023 vorgestellt wurden, zeigen eine bessere Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme bei der Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen
  • Diese neuen Erkenntnisse entsprechen den Ergebnissen aus systematischen Übersichten und Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien, die von einer bescheidenen, aber signifikanten Reduzierung des Körpergewichts bei Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen im Vergleich zu Zucker berichten
  • Die Widersprüche zwischen den Ergebnissen aus randomisierten kontrollierten Studien und aus Beobachtungsstudien wurden anlässlich des Wissenschaftssymposiums der ISA auf der FENS 2023 von akademischen Experten erörtert

 

Die führende europäische Ernährungskonferenz fand dieses Jahr vom 14. bis 17. November 2023 in Belgrad (Serbien) statt. Die wie alle vier Jahre vom Verband der europäischen Gesellschaften für Ernährung (FENS) organisierte 14. Europäische Ernährungskonferenz – FENS 2023 beinhaltete Symposien, Vorträge und Posterpräsentationen zur Rolle der kalorienarmen/-freien Süßstoffe in unserer Ernährung, darunter ein wissenschaftliches Symposium, das von der International Sweeteners Association (ISA) organisiert wurde.

Schlüsselbotschaften vom wissenschaftlichen Symposium der ISA

Das wissenschaftliche Symposium der ISA unter dem Vorsitz von Prof. Alison Gallagher von der Ulster University im Vereinigten Königreich und akademischen Experten als Podiumssprechern hatte zum Ziel, aktuelle Erkenntnisse vorzustellen und diente als Plattform für eine wissenschaftliche Debatte zum Thema „Kalorienarme/-freie Süßstoffe als Mittel zur Reduzierung von Zuckerkonsum, Körpergewicht und der Risiken nicht übertragbarer Krankheiten (NCD): Von der Erkenntnis zur Empfehlung.“

Die Ergebnisse systematischer Übersichten zu kalorienarmen/-freien Süßstoffen und Gewichtskontrolle, darunter eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wurden von Prof. Katherine Appleton von der Bournemouth University im Vereinigten Königreich erörtert. Systematische Überprüfungen und Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) berichten über eine positive Wirkung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen auf die Senkung der Energiezufuhr, die im Vergleich zu Zucker zu einem mäßigen Gewichtsverlust führten, wohingegen keine Auswirkungen im Vergleich zu Wasser oder Placebo beobachtet wurden.1-3 Während Erkenntnisse aus RCT durchgehend von einer positiven Wirkung auf das Körpergewicht berichten, verweisen einige Beobachtungsstudien auf positive Zusammenhänge zwischen einem höheren Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßstoffen und der Gefahr von Adipositas und den damit verbundenen nicht übertragbaren Krankheiten (NCDs).3

Dieser Widerspruch zwischen den Erkenntnissen aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) und Beobachtungsstudien wurde auf dem Symposium der ISA von Prof. Carlo La Vecchia von der Universität Mailand in Italien erörtert. Bescheidene Zusammenhänge zwischen dem Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßstoffen und Adipositas oder Gefäßerkrankungen mit einem relativen Risiko in der Größenordnung von 1,1-1,3 lassen keine Schlussfolgerung hinsichtlich der Ursächlichkeit zu, weil Verzerrung und Störgrößen nicht ausgeschlossen werden können. Eine umgekehrte Kausalität ist nicht quantifizierbar und für dieses Thema eine zentrale Frage: Es bedeutet, dass Menschen mit Übergewicht oder Adipositas möglicherweise kalorienarme/-freie Süßstoffe als Strategie zur Senkung des Zuckerkonsums einsetzen und damit ein falscher Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Süßstoffen und den Ursachen für ein höheres Körpergewicht entsteht. Die WHO bewertet Erkenntnisse aus Beobachtungsstudien als Ergebnisse mit geringer oder sehr geringer Sicherheit und stellt fest, dass Anstrengungen erforderlich sind, um die umgekehrte Kausalität zu berücksichtigen.

Von der Erkenntnis zur Empfehlung

Die unterschiedliche Auslegung der Evidenzbasis wird in den neusten Empfehlungen deutlich. Auf der Grundlage von Erkenntnissen aus RCT vertreten die Ernährungsrichtlinien für Amerikaner USDA 2020-2025 die Auffassung, dass der Ersatz von zugesetzten Zuckern durch kalorienarme/-feie Süßstoffe die Kalorienzufuhr kurzfristig senken und beim Gewichtsmanagement helfen kann.4 Im Gegensatz dazu hat die WHO, weitgehend auf der Grundlage von Beobachtungsstudien mit Einzeldaten zur Nahrungsaufnahme und ohne wiederholte Datenerhebung, eine bedingte Empfehlung ausgesprochen, wonach zuckerfreie Süßstoffe nicht als Mittel für die Gewichtskontrolle oder zur Senkung der Risiken nicht übertragbarer Krankheiten (NCD) verwendet werden sollten.5

Menschen ändern jedoch ihre Ernährungsgewohnheiten mit der Zeit. Deswegen liefern Ergebnisse aus Beobachtungsstudien mit einer einzigen Datenerhebung zum Verzehr von Süßstoffen als Ausgangsbasis, und ohne wiederholte Messung der Exposition über die Zeit, kaum interpretierbare Daten, insbesondere weil prospektive Kohortenstudien mit wiederholten Messungen zu anderen Ergebnissen kommen. Eine Metaanalyse von 14 prospektiven Studien mit wiederholten Messungen sowie Änderungs- oder Substitutionsanalysen ergaben keine nachteiligen Zusammenhänge, dafür aber einen bescheidenen kardiometabolischen Vorteil, wenn mit Zucker gesüßte Getränke durch kalorienarme/-freie Alternativen ersetzt werden.6 Das steht im Einklang mit den Erkenntnissen aus RCT.

Vorstellung neuer Forschungsergebnisse New auf der FENS 2023

Die Erkenntnisse aus zwei neuen, umfangreichen und einjährigen randomisierten kontrollierten Studien wurden ebenfalls auf der Konferenz vorgestellt und weisen auf die Vorteile der Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen für die langfristige Gewichtskontrolle hin. Das Studiendesign ist unterschiedlich, dennoch kommen sowohl die SWITCH Studie als auch die langfristige klinische Studie des Projekts SWEET, das vom Förderprogramm Horizon 2000 der Europäischen Kommission finanziert wurde, zu dem Schluss, dass der Verzehr von kalorienarmen/-freien Süßstoffen während und nach einer Phase der Gewichtsabnahme Menschen dabei helfen kann, diese Gewichtsabnahme über einen Zeitraum von einem Jahr aufrecht zu erhalten.

Die im Rahmen des Projekts SWEET durchgeführte einjährige, multizentrische randomisierte kontrollierte Studie mit 330 Erwachsenen mit Übergewicht oder Adipositas untersuchte die Auswirkungen der Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen im Rahmen einer gesunden Ernährung für die Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme und die Stoffwechselgesundheit.7 Nach einer zweimonatigen Anlaufphase mit einer energiereduzierten Diät, die eine Gewichtsabnahme von ≥5% bei den Erwachsenen erreichen sollte, wurden die Teilnehmer für weitere 10 Monate in zwei Gruppen mit einer gesunden Ernährung nach freier Wahl mit bzw. ohne kalorienarm/-frei gesüßte Produkte randomisiert. Die auf der Konferenz vorgestellten primären Ergebnisse legen nahe, dass die Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme in der Süßstoffgruppe etwas besser war im Vergleich zur Zuckergruppe (1,6 kg mehr Gewichtsabnahme bei Verwendung von kalorienarm/-frei gesüßten Produkten). Die Gesamtergebnisse sollen in Kürze in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht werden.

Die Erkenntnisse aus dem Projekt SWEET entsprechen den Ergebnissen aus einer anderen langfristigen randomisierten kontrollierten Studie (RCT) mit erwachsenen Teilnehmern mit Übergewicht oder Adipositas, der SWITCH Studie, die ebenfalls auf der Konferenz FENS 2023 vorgestellt wurde. Die veröffentlichen Ergebnisse dieser klinischen Studie zeigten eine vergleichbare, bescheidene aber signifikant bessere Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme mit kalorienarmen/-freien Getränken im Vergleich zu Wasser nach einem einjährigen Programm zur Gewichtsabnahme und -kontrolle (1,4kg mehr Gewichtsabnahme bei der Verwendung kalorienarm/-frei gesüßter Getränke).8 Diese Studie ist noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse einer dritten Follow-Up-Phase mit einer freiwilligen, unbetreuten Aufrechterhaltung des Gewichts über einen Zeitraum von 2 Jahren werden für nächstes Jahr erwartet.

Praktische Überlegungen zum Gewichtsmanagement

Die bessere Aufrechterhaltung der Gewichtsabnahme von etwa 1,5 kg über ein Jahr bei der Verwendung kalorienarmer/-feier Süßstoffe mag bescheiden wirken, doch sind dabei die Auswirkungen im Kontext der gesamten und umfangreicheren Anstrengungen zum Gewichtsmanagement zu sehen; hier ist die Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen nur eine aus einer Reihe diätetischer Strategien zur Reduzierung der Energiezufuhr. Für Süßstoffe zeigen Forschungen, dass die positiven Auswirkungen zunehmen, je stärker der Zuckeranteil aus der Ernährung gesenkt wird.1 Deswegen ist zu erwarten, dass Menschen, die eine große Menge an zugesetzten Zuckern mit ihrer Ernährung verzehren, stärker von der Reduzierung der Energieaufnahme und damit bei der Gewichtsabnahme profitieren, wenn sie die mit Zucker gesüßten Produkte durch kalorienarm/-frei gesüßte Alternativen ersetzen.

  1. Rogers PJ, Appleton KM.The effects of low-calorie sweeteners on energy intake and body weight: a systematic review and meta-analyses of sustained intervention studies. Int J Obes (Lond.). 2021;45(3):464-478
  2. Laviada-Molina H, Molina-Segui F, Pérez-Gaxiola G, et al. Effects of nonnutritive sweeteners on body weight and BMI in diverse clinical contexts: Systematic review and meta-analysis. Obes Rev. 2020;21(7):e13020
  3. Rios-Leyvraz M and Montez J‎. Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis. World Health Organization 2022. License: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. https://www.who.int/publications/i/item/9789240046429
  4. S. Department of Agriculture and U.S. Department of Health and Human Services. Dietary Guidelines for Americans, 2020-2025. 9th Edition. December 2020. Available at: https://www.dietaryguidelines.gov/ (Accessed 20 November 2023)
  5. World Health Organization (WHO). Use of non-sugar sweeteners: WHO guideline. Geneva: World Health Organization; 2023. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. https://www.who.int/publications/i/item/9789240073616
  6. Lee JJ, Khan TA, McGlynn N, et al. Relation of Change or Substitution of Low- and No-Calorie Sweetened Beverages With Cardiometabolic Outcomes: A Systematic Review and Meta-analysis of Prospective Cohort Studies. Diabetes Care. 2022 Aug 1;45(8):1917-1930
  7. Kjølbæk L, Manios Y, Blaak EE, et al. Protocol for a multicentre, parallel, randomised, controlled trial on the effect of sweeteners and sweetness enhancers on health, obesity and safety in overweight adults and children: the SWEET project. BMJ Open. 2022 Oct 12;12(10):e061075.
  8. Harrold JA, Hill S, Radu C, et al. Non-nutritive sweetened beverages versus water after a 52-week weight management programme: a randomised controlled trial. Int J Obes (Lond). 2023 Oct 5. https://www.nature.com/articles/s41366-023-01393-3