Mit zuverlässigen wissenschaftlichen Informationen gegen Fehlinformationen zu kalorienarmen/-freien Süßstoffen

Wissenschaftsnachrichten aus dem Webinar der ISA und der kolumbianischen Diabetologievereinigung

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die an einem Webinar zu kalorienarmen/-freien Süßstoffen teilnehmenden Wissenschaftler haben hervorgehoben, dass die Verbraucher im Zeitalter der Fehlinformation nach zuverlässigen Informationsquellen suchen müssen, um fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, was sie essen.
  • Alle kalorienarmen/-freien Süßstoffe haben unabhängig von ihrem Ursprung einen umfassenden Sicherheitsprüfungsprozess durchlaufen und wurden für sicher befunden, wenn sie im Rahmen der erlaubten Tagesdosis konsumiert werden.
  • Eine noch nicht veröffentlichte Studie bestätigt, dass die geschätzten Aufnahmemengen der sechs verbreitetsten kalorienarmen/-freien Süßstoffe in Argentinien, Chile und Peru jeweils unter ihrer erlaubten Tagesdosis (ETD) liegen.
  • Der Ersatz von Zucker durch kalorienarme/-freie Süßstoffe kann uns dabei helfen, unsere Kalorienaufnahme zu reduzieren. Das kann dabei helfen, unser Körpergewicht effektiver zu managen. Die verfügbaren Forschungsergebnisse deuten nicht darauf hin, dass kalorienarme/-freie Süßstoffe unseren Appetit auf Süßes steigern oder einen Verlust der Kontrolle über unser Essverhalten bewirken können.
  • Kalorienarme/-freie Süßstoffe wirken sich nicht auf die postprandialen Blutzuckerspiegel aus und sie verursachen im Vergleich zu Zucker einen geringeren Anstieg des Blutzuckerspiegels.

 

Die Rolle kalorienarmer/-freier Süßstoffe in der aktuellen Debatte um die öffentliche Gesundheit war Thema bei einem Webinar, das vom Internationalen Süßstoffverband (International Sweeteners Association, ISA) und der Federación Diabetológica Colombiana (FDC) veranstaltet wurde. Mit Blick auf die Fehlinformationen zum Thema kalorienarme/-freie Süßstoffe hatten es sich die internationalen wissenschaftlichen Experten zur Aufgabe gemacht, einen Überblick über die verfügbaren und aktuellsten Erkenntnisse zu einem breiten Spektrum an Themen zu geben, von der Sicherheit bis hin zur Wirksamkeit von Süßstoffen.

Einnahme kalorienarmer/-freier Süßstoffe: Sind diese Zutaten sicher? Und wie viel davon konsumieren wir?

Die Verbraucher stellen sich nach wie vor eine Reihe von Fragen rund um den Konsum von kalorienarmen/-freien Süßstoffen, obgleich deren Sicherheit von führenden Aufsichtsbehörden für Lebensmittelsicherheit in aller Welt unabhängig voneinander für sicher befunden wurden, darunter das Joint Expert Scientific Committee on Food Additives (JECFA) der Food & Agriculture Organization (FAO) und der Weltgesundheitsbehörde (WHO), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Food and Drug Administration (FDA) der USA.1

Dr. Indira Sotelo (Universidad La Sabana, Kolumbien) stellte klar, dass alle zugelassenen kalorienarmen/-freien Süßstoffe denselben, umfassenden Sicherheitsprüfungsprozess durchlaufen haben, unabhängig von ihrem natürlichen oder synthetischen Ursprung.

Ein weiterer Aspekt, den die Experten des öffentlichen Gesundheitswesens in Betracht ziehen, ist die Frage, ob die tatsächlichen Konsummengen von kalorienarmen/-freien Süßstoffen innerhalb der Werte für die erlaubte Tagesdosis (ETD) liegen. Diese Mengen werden für jeden einzelnen Süßstoff im Zuge des Zulassungsprozesses von den Aufsichtsbehörden für Lebensmittelsicherheit festgelegt. Die ETD steht für die tägliche Menge an Kalorienarmen/-freien Süßstoffen, die eine Person lebenslang ohne Gesundheitsprobleme zu sich nehmen kann.

Dr. Leila Barraj (Vortragender, USA) stellte erstmals die Ergebnisse einer noch im Veröffentlichungsprozess befindlichen Studie vor, die anhand des Budgetmethoden-Ansatzes, landesspezifischer Verkaufszahlen und Nutzungsdaten auf Screeningebene Konsumschätzungen für sechs kalorienarme/-freie Süßstoffe (Acesulfamkalium, Aspartam, Cyclamat, Saccharin, Sucralose und Steviosid) für Argentinien, Chile und Peru abgeleitet hat.2 Im Einklang mit früheren Ergebnissen zu lateinamerikanischen Ländern konnte die neue Studie bestätigen, dass die geschätzte Aufnahme der sechs kalorienarmen/-freien Süßstoffe jeweils unter ihrer jeweiligen erlaubten Tagesdosis (ETD) lag, selbst wenn man die konservativsten Annahmen zugrunde legt.

Darüber hinaus erläuterte Dr. Barraj, dass die bei der Budgetmethode verwendeten Konsumwerte auf konservativen Annahmen zum Kalorienbedarf junger Kinder und zum potentiellen Getränkekonsum von Kleinkindern, Kindern und Erwachsenen in heißen klimatischen Gegenden beruhen. Daher sind die Ergebnisse der aktuellen Studie für Argentinien, Chile und Peru nicht nur für die allgemeine erwachsene Bevölkerung relevant, sondern auch für die Bevölkerungsgruppe der Kinder in diesen drei Ländern.

Wie steht es mit der Wirksamkeit kalorienarmer/-freier Süßstoffe? Können sie bei der Kontrolle von Gewicht und Blutzuckerspiegel etwas bewirken?

Ebenfalls umstritten ist der Wert und Nutzen des Konsums kalorienarmer/-freier Süßstoffe. Widersprüchliche Informationen im Internet verwirren die Verbraucher und sie wollen wissen, ob Süßstoffe tatsächlich den Nutzen für ihre Gesundheit haben, den sie sich davon versprechen.

Dr. Brian Cavagnari (Universidad Católica Argentina, Argentinien) versuchte, die Gründe für diese Verwirrung zu klären. Er erklärte, dass verschiedene Arten von Studien je nach ihrem Aufbau sowie gemäß ihren jeweiligen Stärken und Schwächen abweichende Ergebnisse hervorbringen können,3 dass Gesundheitsexperten jedoch ihre Empfehlungen auf evidenzbasiertes Ernährungswissen gründen müssen, bei dem die Hierarchie wissenschaftlicher Belege berücksichtigt wird.4 Zum Beispiel bedeute dies im Fall von Süßstoffen, dass Beobachtungsstudien manchmal eine Verbindung zwischen einem höheren Konsum kalorienarmer/-freier Süßstoffe und Übergewicht aufzeigen können, wobei dies jedoch auf die Tatsache zurückzuführen sein könne, dass Menschen mit Übergewicht in ihrem Bestreben nach einer Senkung ihres Zuckerkonsums und zur Regulierung ihres Körpergewichts ihre Ernährung auf Süßstoffe umstellen – und eben nicht andersherum. Das ist ein typischer Fall von „umgekehrter Kausalität“. Wegen der dem Design von Beobachtungsstudien innewohnenden Beschränkungen sind solche Studien hinsichtlich ihrer Evidenzklasse niedriger einzustufen, während randomisierte kontrollierte Studien (Randomised Controlled Trials, RCT) in der Hierarchie einen höheren Grad an Evidenz bieten, da ihr Design differenzierter ist. Im Gegensatz zu den Hinweisen aus Beobachtungsstudien also kommen RCT-Studien zu dem Schluss, dass der Ersatz von Zucker durch kalorienarme/-freie Süßstoffe dabei helfen kann, unsere Gesamtenergiezufuhr (Kalorien) zu reduzieren und damit zum Reduzieren oder Halten des Körpergewichts beizutragen.5 In der Praxis ist die vorteilhafte Wirkung auf das Körpergewicht bei Menschen mit Übergewicht oder Obesitas stärker, doch hängt dies auch davon ab, wie viele Kalorien durch die Reduzierung des Zuckerkonsums in der Ernährung eingespart werden.6 Im Vergleich zu Placebos, die ja keine Kalorienreduzierung bewirken, sind die Auswirkungen kalorienarmer/-freier Süßstoffe auf das Körpergewicht neutral.5

Ebenso müssen Gesundheitsexperten sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen, um die potentiellen Vorteile kalorienarmer/-freier Süßstoffe zu verstehen, und sie müssen ihren Patienten gezielte Empfehlungen an die Hand geben, die auf deren jeweilige Ernährungsgewohnheiten abgestimmt sind. So wirken sich kalorienarme/-freie Süßstoffe zum Beispiel nicht auf den Blutzuckerspiegel aus. Dementsprechend bewirken sie im Vergleich mit Zucker und den von diesem ausgelösten Blutzuckerspitzen einen geringeren Anstieg des Blutzuckerspiegels.7 Manche Studien legen nahe, dass die Vorteile bei Menschen mit Diabetes evidenter und wichtiger sein können.8

Wie sieht es mit den langfristigen Auswirkungen auf den Appetit auf Süßes aus? Machen sie Lust auf Süßes?

Die Menschen möchten auch wissen, ob die kurzfristigen Vorteile kalorienarmer/-freier Süßstoffe für die Kalorienaufnahme langfristig zu mehr Lust auf süßen Geschmack führen können.

Dr. France Bellisle (Universität Paris, Frankreich) sprach über die aktuellen Ergebnisse zur Frage nach den Auswirkungen kalorienarmer/-freier Süßstoffe auf den Appetit und die Vorliebe für Süßes. Zwar ist auf diesem Gebiet noch mehr Forschung erforderlich und tatsächlich laufen derzeit umfangreiche RCT-Studien. Doch die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits veröffentlichten Studien berichten nicht, dass die Aufnahme von Speisen mit süßem Geschmack zu einem Verlangen nach süßen Speisen führt.9 Die verfügbaren Erkenntnisse bestätigen nicht die Hypothese, dass kalorienarme/-freie Süßstoffe den Appetit auf süße Produkte verstärken oder gar einen Verlust der Kontrolle über das Essverhalten bewirken können. Im Gegensatz dazu legen einige klinische Studien nahe, dass die Verwendung kalorienarmer/-freier Süßstoffe im Rahmen einer Diät zur Gewichtsabnahme zumindest kurz- bis mittelfristig den Appetit auf Süßes befriedigt und dazu führt, dass weniger Zucker konsumiert wird.

Fehlinformationen mit zuverlässigen wissenschaftlichen Informationen entgegentreten

Bei dem Webinar, moderiert von Dr. Luisa Fernanda Bohórquez, der Präsidentin der kolumbianischen Diabetologievereinigung FDC, sprachen die Experten auch über die Rolle der Medien im Kampf gegen Fehlinformationen. Die Experten waren sich einig, dass es in der heutigen Zeit mit ihren allgegenwärtigen Informationen eine echte Herausforderung ist, glaubwürdig belegte Informationen zu finden – dass die Verbraucher aber genau dies versuchen müssen: kompetente Entscheidungen zu ihrem Konsumverhalten auf der Grundlage zuverlässiger Informationen zu treffen.

Sie können das Webinar abrufen, indem Sie hier klicken.

  1. Aldrete-Velasco J. et al. Análisis de la evidencia disponible para el consumo de edulcorantes no calóricos. Documento de expertos. Med. interna Méx. 2017;33(1):61-83.
  2. Barraj L, Bi X, Tran N. Screening level intake estimates of low and no-calorie sweeteners in Argentina, Chile and Peru. Food Additives & Contaminants: Part A. (Under publication)
  3. Normand M, Ritz C, Mela D, Raben A. Low-energy sweeteners and body weight: a citation network analysis. BMJ Nutrition, Prevention & Health 2021; bmjnph-2020-000210. doi: 1136/bmjnph-2020-000210
  4. Cavagnari BM. Edulcorantes no calóricos y peso corporal. (Non-caloric sweeteners and body weight). MEDICINA (Buenos Aires) 2019; 79: 115-122
  5. Rogers PJ and Appleton KM.The effects of low-calorie sweeteners on energy intake and body weight: a systematic review and meta-analyses of sustained intervention studies. Int J Obes 2021; 45(3): 464-478 https://doi.org/10.1038/s41366-020-00704-2
  6. Laviada-Molina H, Molina-Segui F, Pérez-Gaxiola G, et al. Effects of nonnutritive sweeteners on body weight and BMI in diverse clinical contexts: Systematic review and meta-analysis. Obesity Reviews 2020; 21(7):e13020. doi: 10.1111/obr.13020
  7. Scientific opinion on the substantiation of health claims related to intense sweeteners. EFSA Journal 2011, 9(6), 2229. Available online: Available online: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2011.2229/epdf
  8. Greyling A, Appleton KM, Raben A, Mela DJ. Acute glycemic and insulinemic effects of low-energy sweeteners: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Am J Clin Nutr 2020; nqaa167. https://doi.org/10.1093/ajcn/nqaa167
  9. Appleton KM, Tuorila H, Bertenshaw EJ, de Graaf C and Mela DJ. Sweet taste exposure and the subsequent acceptance and preference for sweet taste in the diet: systematic review of the published literature. Am J Clin Nutr 2018;107:405–419