Experten sind sich über die Rolle kalorienarmer/-freier Süßstoffe im öffentlichen Gesundheitswesen einig

Highlights:

  • Eine Verringerung der übermäßigen Zuckeraufnahme wird weltweit empfohlen, um das Risiko und die Verbreitung von Fettleibigkeit zu senken. Kalorienarme/-freie Süßstoffe sind eine der Strategien, die in Erwägung gezogen werden sollten.
  • Die Experten waren sich einig, dass kalorienarme/-freie Süßstoffe, wenn sie anstelle von Zucker eingesetzt werden, um die Energiedichte von Nahrungsmitteln und Getränken zu reduzieren, die Netto-Energiezufuhr (Kalorien) verringern und das Gewichts- und Diabetesmanagement unterstützen können.
  • Die Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen wird durch umfangreiches Beweismaterial belegt, das von unabhängigen Regulierungsbehörden weltweit geprüft und bewertet wurde.
  • Es ist notwendig, evidenzbasierte Strategien zu erforschen und zu entwickeln, um den Verbrauchern, Gesundheitsfachleuten und politischen Entscheidungsträgern Fakten zu vermitteln.
  • Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um politische Diskrepanzen zwischen den Organisationen zu verstehen und, wo immer möglich, in Einklang zu bringen und regulatorische Hürden abzubauen, die die Produktentwicklung und -neuformulierung behindern, die auf eine Verringerung von Zucker und/oder Kalorien abzielt.

Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nutrition Research Reviews veröffentlicht wurde, stellt laut Bestätigung der siebzehn akademischen und wissenschaftlichen Experten, die am 7. November 2018 an einem Workshop in London teilnahmen, zuverlässige Fakten, Wissenslücken und Handlungsvorschläge in Bezug auf die Rolle kalorienarmer/-freier Süßstoffe in der öffentlichen Gesundheits- und Ernährungspolitik vor. Eine entscheidende Stärke dieses Workshops ist die vielfältige und jahrelange Erfahrung der Teilnehmer in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen, die sich mit kalorienarmen/-freien Süßstoffen befassen. Mit Hilfe von Konsensbildungstechniken diskutierte und erzielte die Expertenrunde einen Konsens im Hinblick auf Aussagen zu Fakten, Wissenslücken und Maßnahmen in Bezug auf drei Themen:

  1. Die Rolle von kalorienarmen/-freien Süßstoffen bei der Gewichts- und Blutzuckerkontrolle
  2. Verzehr und Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen und die Verbraucherwahrnehmung
  3. Die Rolle von kalorienarmen/-freien Süßstoffen im Zusammenhang mit der Ernährungspolitik

Die Hintergründe

Experten des öffentlichen Gesundheitswesens weltweit empfehlen, dass eine Verringerung der Zuckeraufnahme erforderlich ist, um das Risiko und die Verbreitung von Fettleibigkeit zu senken, die ein wichtiges Anliegen des öffentlichen Gesundheitswesens ist. Die Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen ist eine der Strategien, mit denen eine Zuckerreduzierung erreicht werden soll und die schon seit Jahrzehnten der Lebensmittelindustrie geholfen hat, zuckerreduzierte und kalorienarme Produkte anzubieten. Trotz der bestätigten Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen und der Bemühungen, den Zuckerverzehr zu senken, besteht bei den Gesundheitsfachleuten und politischen Entscheidungsträgern immer noch ein gewisses Misstrauen gegenüber kalorienarmen/-freien Süßstoffen, und auch die Verbraucher haben falsche Vorstellungen. Ziel dieses Experten-Workshops war es daher, die aktuellen Erkenntnisse zu überprüfen und klare und einfache Aussagen zu kalorienarmen/-freien Süßstoffen zu treffen (Fakten), die Bereiche hervorzuheben, in denen mehr Forschung erforderlich ist (Lücken), und vorzuschlagen, wie Fortschritte in Bezug auf Wissenschaft und Politik im Zusammenhang mit Süßstoffen erzielt werden könnten (Maßnahmen).

Die wichtigsten Ergebnisse des Workshops: Ein Überblick über die Konsenserklärungen

Das Expertengremium diskutierte und einigte sich auf 37 Aussagen darüber, was man weiß (15 Aussagen – Fakten), was man noch wissen muss (11 Aussagen – Lücken) und was man tun sollte (11 Aussagen – Maßnahmen), im Hinblick auf die Wissenschaft und Ernährungspolitik im Zusammenhang mit kalorienarmen/-freien Süßstoffen. Die wichtigsten Konsensaussagen, die aus dem Expertenworkshop hervorgingen, sind im Folgenden zusammengefasst.

Fakten:

  1. Die Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen wird durch ein umfangreiches Beweismaterial belegt, das von unabhängigen Aufsichtsbehörden weltweit geprüft und bewertet wird. Die Sicherheit zugelassener kalorienarmer/-freier Süßstoffe wird von diesen Behörden für Lebensmittelsicherheit gründlich und regelmäßig bewertet und bestätigt. Kontinuierliche Überwachungen und modellhafte Darstellungen der Belastung durch kalorienarme/-freie Süßstoffe machen deutlich, dass die Aufnahme innerhalb der akzeptablen Tagesdosis (ADI) liegt.
  2. Wenn sie als Ersatz für Zucker zur Verringerung der Energiedichte von Lebensmitteln und Getränken eingesetzt werden, reduzieren kalorienarme/-freie Süßstoffe die Nettoenergieaufnahme und unterstützen das Gewichtsmanagement. Kalorienarme/-freie Süßstoffe haben keine nachteiligen Auswirkungen auf die Blutzucker- und Insulinregulierung (HbA1c, Nüchtern- und postprandiale Glukose- und Insulinwerte) bei Menschen mit und ohne Diabetes. Der potenzielle Wert von kalorienarmen/ -freien Süßstoffen im Rahmen der Ernährungsbehandlung bei Diabetes ergibt sich aus ihrer Rolle als Ersatz für Zucker und damit für Kohlenhydrate.
  3. Eine Reduzierung der Zuckeraufnahme wird weltweit empfohlen, um das Risiko und die Verbreitung von Fettleibigkeit zu verringern. Um dies zu erreichen, ist die Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen eine der Strategien, die in Betracht gezogen werden sollten. Kalorienarme/-freie Süßstoffe können verwendet werden, um den Zucker- und Energiegehalt von Getränken und einigen Lebensmitteln zu reduzieren und gleichzeitig ein ähnliches Geschmacksprofil zu erhalten. Das Potenzial für eine Energiereduzierung hängt von den Optionen für eine Neuformulierung ab und davon, was den Großteil des Zuckers ersetzt.

Lücken:

  1. Welche Faktoren (einschließlich Wissen, Ansichten und Verhaltensweisen) beeinflussen die Wahrnehmung von Risiken und Vorteilen bei der Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen? Wie kann man die Sicherheit und Wirksamkeit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen am besten den Fachleuten im Gesundheitswesen und der breiten Öffentlichkeit vermitteln?
  2. Was sind die längerfristigen Vorteile und Auswirkungen von kalorienarmen/-freien Süßstoffen auf das Gewicht, die Diabetes-Behandlung und andere Gesundheitsbelange? Ändern sich diese Auswirkungen je nach persönlichen Faktoren (Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Gesundheitszustand, Ernährung und Lebensstil) oder in Zusammenhang mit der Ernährung (ad libitum vs. Diäten zur Gewichtsüberwachung), der Form des kalorienarmen/-freien gesüßten Produkts (in flüssiger oder fester Form) und der Art der Süßstoffe?
  3. Wie können kalorienarme/-freie Süßstoffe dem Einzelnen helfen, den allgemeinen Ernährungsempfehlungen zur Verringerung der Zuckeraufnahme gerecht zu werden?

Maßnahmen:

  1. Es ist erforderlich, evidenzbasierte Strategien zu erforschen und zu entwickeln, um Verbrauchern, Gesundheitsfachleuten und politischen Entscheidungsträgern Fakten zu vermitteln. Das umfangreiche wissenschaftliche Beweismaterial, das die behördliche Zulassung und die laufende Sicherheitsbewertung von kalorienarmen/ -freien Süßstoffen unterstützt, kann dann zu besser informierten Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit führen.
  2. Es werden mehr qualitativ hochwertige Humanstudien benötigt:
    • Gut konzipierte RCTs (mit einem angemessenen Zeitrahmen von einem Jahr oder mehr) mit verschiedenen Komparatoren und verschiedenen Trägern von kalorienarmen/-freien Süßstoffen (Lebensmittel- und Getränkematrix), die mehrere Endpunkte (Ernährungsqualität, Funktion und Metabolomik der Darmmikrobiota sowie umfassendere Gesundheits- und Lebensqualitätsmaßnahmen) bewerten;
    • Bevölkerungskohortenstudien zur Darstellung von Veränderungen des Gewichts-/kardiometabolischen Risikos im Zusammenhang mit Änderungen hinsichtlich der Aufnahme von kalorienarmen/-freien Süßstoffen, also keine Basiswerte, und Einbindung von Substitutionsanalysen (z. B. kalorienarme/-freie gesüßte Getränke anstelle von kalorischen Getränken, Wasser usw.) und Anpassung für Adipositas.
  3. Um politische Diskrepanzen auszugleichen, sollten die Ansichten der Politiker, Wissenschaftler und Experten für behördliche Angelegenheiten über die Rolle kalorienarmer/-freier Süßstoffe in der Ernährung übereinstimmen. Eine Trenddarstellung des Süßstoffverzehrs und wie diese zur Erreichung der Zuckerreduktionsziele beitragen kann, ist ebenfalls erforderlich, um Strategien entwickeln zu können.

Bitte sehen Sie sich dieses Video an, das die wichtigsten Ergebnisse des Experten-Workshops und Interviews mit den Hauptautoren der veröffentlichten Arbeit, Dr. Margaret Ashwell, OBE, DSc, PhD, FAfN, RNutr (Öffentliches Gesundheitswesen), und Frau Sigrid Gibson, MA, MSc, FAfN, RNutr (Öffentliches Gesundheitswesen), präsentiert.

Schlussfolgerung

Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um politische Diskrepanzen zwischen den Organisationen zu verstehen und, wo immer möglich, in Einklang zu bringen und regulatorische Hürden abzubauen, die die Produktentwicklung und -neuformulierung behindern, die auf eine Verringerung von Zucker und/oder Kalorien abzielt. Trotz wiederholter und konsequenter Beteuerungen der Lebensmittelsicherheitsbehörden bezüglich der Sicherheit von kalorienarmen/-freien Süßstoffen besteht jedoch immer noch ein gewisses Misstrauen gegenüber kalorienarmen/-freien Süßstoffen bei Verbrauchern, Gesundheitsexperten und politischen Entscheidungsträgern. Daher vertrat das Gremium die Auffassung, dass das umfangreiche Beweismaterial über ihre Sicherheit auf einheitliche Weise übermittelt werden sollte. Darüber hinaus müssen Kommunikationsmaßnahmen entwickelt werden, die eine besser informierte öffentliche Haltung gegenüber kalorienarmen/-freien Süßstoffen fördern, indem beispielsweise die potenziellen gesundheitlichen Vorteile im Zusammenhang mit der Verringerung der Zucker- (und Energie-) Aufnahme und die Rolle kalorienarmer/-freien Süßstoffe bei der Erreichung dieses Ziels hervorgehoben werden. Es ist wichtig zu erklären, dass die Gesamtwirkung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen von der Menge des in der Nahrung ersetzten Zuckers und der daraus folgenden allgemeinen Verringerung der Kalorienaufnahme (Energieaufnahme) abhängt. Man kann nicht erwarten, dass die Verwendung von kalorienarmen/-freien Süßstoffen allein als „Wundermittel“ für die Gewichtsabnahme wirkt. Der Nutzen wird davon abhängen, wie Lebensmittel und Getränke, die kalorienarme/-freie Süßstoffe enthalten, eingesetzt und ergänzt werden, sowie von der Gesamtqualität der Ernährung und der Gesamtenergieversorgung.

Für weitere Informationen können Sie die vollständige Liste der Konsenserklärungen im Beitrag “Expertenkonsens zu kalorienarmen Süßstoffen: Fakten, Forschungslücken und Handlungsvorschläge” (Ashwell et al., 2020), online in der Fachzeitschrift Nutrition Research Reviews veröffentlicht, einsehen.

  1. Ashwell M, Gibson S, Bellisle F, Buttriss J, Drewnowski A, Fantino M, Gallagher AM, de Graaf K, Goscinny S, Hardman CA, Laviada-Molina H, López-García R, Magnuson B, Mellor D, Rogers P, Rowland I, Russell W, Sievenpiper J, la Vecchia C. Expert consensus on low-calorie sweeteners: facts, research gaps and suggested actions. Nutr Res Rev. 2020;33(1):145-154. doi: 10.1017/S0954422419000283. [Epub ahead of print]